• Magazin Klassik
  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 5 | Sommer 2017
  • S. 20

Die Mannheimer Schule

Eine Einführung

Text: Elisabeth Theresia Hilscher

In: Magazin Klassik, # 5 | Sommer 2017, Radio Klassik Stephansdom, S. 20 [Hörermagazin]

Wo kommt sie her, die sogenannte „Wiener Klassik“? Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entbrannte darüber ein heftiger Gelehrtenstreit zwischen dem deutschen Musikforscher Hugo Riemann und dem „Vater der österreichischen Musikwissenschaft“, Guido Adler. Riemann sah in der Mannheimer Schule die Wurzeln des klassischen Stils, Adler hingegen plädierte für eine österreichische Linie vom österreichischen Hochbarock (Johann Joseph Fux) über eine Früh-bzw. Vorklassik (Matthias Georg Monn) hin zum „klassischen Triumvirat“ Haydn– Mozart–Beethoven.

Wer waren aber die „Mannheimer“, die durch den Streit nun plötzlich in das Rampenlicht gerückt wurden, woher stammten sie und was war das Besondere an dieser Kapelle?

Mannheim war 1743 eine junge Residenz, die Carl III. Philipp von der Pfalz (1661–1742) ab 1720 als Sitz gewählt hatte. Dieser hatte bereits begonnen, während seiner Zeit in habsburgischen Diensten, eine eigene Musikkapelle aufzubauen, in der eine bunte Mischung an Musikern aus den böhmischen Ländern, Bayern, dem Rheinland und den Niederlanden herrschte. Unter Carl Philipps Nachfolger Carl Theodor von der Pfalz und Bayern (1724/1742–1799), einem ausgeprägten Musikliebhaber und -förderer, entstand ein höfisches Jahres-Curriculum in Mannheim, in dem Musik und Musiktheater wesentliche Rollen innehatten.

Die Formung der Mannheimer Kapelle zu einem weit über die Grenzen bekannten Ensemble gelang ab 1744 Kapellmeister Johann Stamitz (1717–1757) und seinem Nachfolger Christian Cannabich (1731–1798).

Beide hatten das Glück, über 30 Jahre mit langjährig dienenden Musikern arbeiten, und auch den Musiker-Nachwuchs selbst ausbilden zu können. Für zwei Dinge waren die „Mannheimer“ bald berühmt: einerseits für eine unglaubliche Orchesterdisziplin, die gleichsam atemberaubende Interpretationen der Orchestermusik zuließ (differenzierte Dynamik, einheitlicher Bogenstrich bei den Streichern, Perfektion des Klanges), die andererseits aber – ebenfalls vorwiegend im Bereich der Instrumentalmusik – einige neue und überraschende Stilelemente hervorbrachte, die letztlich zur Klassik und zu Joseph Haydn und Mozart hinführten.

Doch als nach dem Tod des letzten bayerischen Wittelsbachers im Dezember 1777 Carl Theodor die Regentschaft in Bayern übernehmen musste, folgte ihm ein wesentlicher Teil seines Hofes nach München. Auch die Kapelle wurde dadurch zerrissen, was bei den „Mannheimern“ zu einer deutlichen Zäsur führte, von der sie sich nicht mehr erholen sollten. Die zahlreichen Schüler von Johann Stamitz und Christian Cannabich aber, entwickelten den „Mannheimer Stil“ weiter und der legendäre Ruf des Mannheimer Orchesters wirkte weit bis in das 19. Jahrhundert nach.

Noch 1806 schwärmte Christian Friedrich Daniel Schubart: „Kein Orchester der Welt hat es je in der Ausführung dem Mannheimern zuvorgethan. Sein Forte ist ein Donner, sein Crescendo ein Caterakt, sein Diminuendo – ein in die Ferne hin plätschernder Krystallfluss, sein Piano ein Frühlingshauch.“