• PROspekt
  • Theater Erfurt
  • # 5 | Dezember 2017 - Februar 2018
  • S. 12-13

Premiere

La Calisto

Kapellmeister Samuel Bächli inszeniert eine wilde Komödie

Text: Samuel Bächli

In: PROspekt, # 5 | Dezember 2017 - Februar 2018, Theater Erfurt, S. 12-13 [Publikumszeitschrift]

Cavallis La Calisto aus dem Jahr 1651 ist in zweifacher Hinsicht eine Fortsetzung unseres Opernspielplans. Zum einen war Francesco Cavalli der Meisterschüler Claudio Monteverdis, dessen drei Opern wir in den letzten Jahren aufgeführt haben. Zum andern ist La Calisto eine wilde Komödie, so dass nicht nur durch das Regieteam Erinnerungen an die Operette Pariser Leben wach werden. Die Bühne stellt allerdings keine Dreizimmerwohnung dar, sondern eine ganze griechischbarocke Welt: mit Olymp und Erde, Sonne, Mond und Sternen. Aber auch hier gibt es drei sehr lebhafte Beziehungsgeschichten, wie sie seit der Antike so aktuell sind, dass wir auf eine eindeutige Modernisierung bewusst verzichten konnten.

Jupiter (Juri Batukov), verfolgt von der eifersüchtigen Juno (Julia Stein), verliebt sich in die Nymphe Calisto (Daniela Gerstenmeyer). Da diese aber ihre Chefin Diana (Margrethe Fredheim) liebt, bleibt Jupiter nichts anderes übrig, als sich in seine eigene Tochter Diana zu verwandeln. Wie wir diese barocke Regieanweisung umsetzen, verraten wir natürlich nicht. Diana, immerhin die Göttin der Keuschheit, hat gleich zwei Verehrer, den sanft dichtenden Schäfer Endymion (Julian Freibott) und den sehr robusten Waldmenschen Pan (Gregor Loebel). Das dritte Paar besteht aus dem ziegenbeinigen Jungen Satirino (Katja Bildt) und der älteren Nymphe Linfea (Jörg Rathmann ohne Schnurrbart).

Wenn Sie jetzt denken, dass das mit der Liebe so nur schiefgehen kann, haben Sie leider Recht: Amor schläft nämlich während der ganzen Oper auf einem Absatz der Himmelstreppe. Dennoch ist das ganze keine Operette, sondern eine Barockoper mit vielen tänzerischen, sehr eingängigen Melodien. Im Orchester erklingen sowohl moderne als auch barocke Instrumente. Neu für unser Theater: der Zink (Vater Blockflöte, Mutter Trompete).

Manchmal werde ich gefragt, ob ich das mit dem Inszenieren denn überhaupt gelernt hätte. Wie für alles gibt es auch hierfür eine schöne Ausbildung. Dem Hochschulstudium schließen sich dann meist einige praktische Theaterjahre als Regieassistent an. Das alles habe ich verpasst. Das einzige, was ich vorweisen kann, sind dreißig Jahre Proben mit sehr unterschiedlichen Regisseurinnen und Regisseuren, bei denen ich als Kapellmeister einigermaßen aufgepasst habe.

Meiner Meinung nach geht es dabei weniger um Stilrichtungen. Ich möchte vom Publikum oft als „modern“ oder „klassisch“ eingestufte Inszenierungen nicht danach beurteilen, ob jemand einen Aktenkoffer oder eine Hellebarde trägt. Beides kann sehr langweilig sein. Ich glaube, dass es neben dem gerechtfertigten Unterhaltungsbedürfnis des Publikums und dem Ernstnehmen des Stücks, der Figuren und auch der Musik vor allem um eines geht: um Bedeutung.

Im Lauf der Zeit habe ich eine Allergie gegen Bedeutung entwickelt. Zuerst einmal gegen die feierlich vor sich her getragene Bedeutung, aber auch gegen eine nicht zu Ende gedachte Bedeutung, wo man nur weiß, dass es etwas bedeuten soll, aber nicht was. Sicher, das Bedürfnis nach Bedeutung bei Kollegen, Journalisten und Zuschauern ist groß, vor allem bei allgemein bekannten Stücken, wo bei jeder Inszenierung offenbar eine „neue Deutung“ erforderlich ist. Solche in jeder Hinsicht bedeutenden Inszenierungen gibt es durchaus, tief beeindruckt habe ich ein paar gesehen. Aber oft passen der Körper des Stücks und das Kostüm der Bedeutung nicht ganz zusammen: die Hose gerät ins Rutschen.

Natürlich bin ich sehr froh, dass niemand von einem inszenierenden Kapellmeister erwartet, etwas Bedeutendes zu schaffen. Trotzdem besteht das Problem der Hose bei jeder Inszenierung, denn gänzlich lässt sich Bedeutung ja auch nicht vermeiden.

Nun glaube ich aber, einen kleinen Vorteil zu haben: Wie Pariser Leben ist auch La Calisto eine eigene, sehr freie Bearbeitung, die ich als Kapellmeister mehrmals einstudiert habe.

Nun konnte ich für diese Aufführung gleichzeitig meine Fassung umarbeiten und mir die Inszenierung ausdenken. Um im Bild zu bleiben war ich in der beneidenswerten Situation eines Modeschöpfers, der nicht nur ein Hemd, sondern auch den dazugehörigen Bauch erschaffen darf.


La Calisto

Oper von Francesco Cavalli

Text von Giovanni Faustini

Uraufführung Venedig 1651/52

Einrichtung von Samuel Bächli

In deutscher und italienischer Sprache mit Übertiteln

 

Musikalische Leitung

Chanmin Chung

Inszenierung

Samuel Bächli

Bühnenbild

Jeannine Cleemen

Kostüme

Frauke Langer

 

Besetzung

Jupiter: Juri Batukov

Calisto: Daniela Gerstenmeyer

Diana: Margrethe Fredheim

Endymion: Julian Freibott

Juno: Julia Stein

Satirino: Katja Bildt

Linfea: Ks. Jörg Rathmann

Pan: Gregor Loebel

 

Premiere
Do, 1. März 2018, 19.30 Uhr
Studio

Weitere Vorstellungen
Sa, 10.03. | Sa, 24.03. | So, 01.04. | Sa, 07.04. | Fr, 13.04. | So, 22.04.2018

Matinee
Regieteam und Ensemble stellen sich vor
So, 18. Februar 2018, 11 Uhr

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