• Magazin
  • Oper Frankfurt
  • September / Oktober 2023
  • S. 32-33

»Alles bedingt sich gegenseitig«

Magdalena Hinterdobler, Sopran

Text: Maximilian Enderle

In: Magazin, September / Oktober 2023, Oper Frankfurt, S. 32-33 [Publikumszeitschrift]

Wenn Magdalena Hinterdobler eines nicht leiden kann, dann ist es starres Konkurrenzdenken auf der Bühne. Wie wichtig gerade beim Musizieren ein aufmerksames Miteinander ist, lernte die Sopranistin bereits als Schülerin am Straubinger Musikgymnasium. Im dortigen Kammerchor unter der Leitung von Gerold Huber, dem Vater des gleichnamigen Pianisten, machte Magdalena ihre ersten wichtigen Bühnenerfahrungen: Neben Oratorien-Aufführungen und Chorfahrten nach Italien standen im Sommer regelmäßig Opernprojekte auf dem Programm, bei denen sie mit immer größeren solistischen Partien in Erscheinung trat.

Noch während der Schulzeit war Magdalena als Jungstudentin an der Hochschule für Musik und Theater in München eingeschrieben. Später absolvierte sie dort auch ihr Gesangsstudium, was sie sichtlich genoss: »Innerhalb meines Jahrgangs herrschte ein unglaublich starker Zusammenhalt. Unter meinen Kommilitonen waren einige ehemalige Tölzer Sängerknaben, die sehr durch den Ensemblegesang geprägt waren. Das hat sich auf den gesamten Jahrgang übertragen: Eine Ellenbogenmentalität kam bei uns gar nicht erst auf«, schwärmt unser neues Ensemblemitglied. Bereichernd war für Magdalena zudem die Zusammenarbeit mit spannenden Regisseur*innen an der Bayerischen Theaterakademie. So stand sie etwa in Lydia Steiers Inszenierung von Mozarts La finta giardiniera auf der Bühne des Münchner Prinzregententheaters. »Diese Einblicke waren extrem wertvoll, weil man dadurch ein Gefühl für den echten Theaterbetrieb bekam.


Sofort angekommen

Nach dem Studium trat Magdalena schnurstracks ihr Erstengagement an der Oper Leipzig an, wo sie von 2014 bis 2022 Ensemblemitglied war. Den Schritt nach Leipzig empfindet sie noch immer als »genau richtig«. Im Laufe der Jahre sang sie dort über 40 Partien, die kontinuierlich größer wurden. Teils verkörperte sie über 18 verschiedene Rollen innerhalb einer Spielzeit, darunter Hochkaräter wie Rusalka, Mimì in La Bohème oder Marie in der Verkauften Braut – »ein enorm gutes Training für die Stimme«, wie Magdalena sagt. Neben der Zusammenarbeit mit dem Leipziger Gewandhausorchester schätzte sie insbesondere die reiche Historie der sächsischen Musikstadt: »Wenn ich in der Thomaskirche sitze, bin ich immer wieder total berührt, dass Johann Sebastian Bach genau hier vor 300 Jahren als Kantor gewirkt hat. Und im Nachbarhaus meiner Wohnung verfasste Gustav Mahler seine Erste Sinfonie, was mir nochmals einen völlig neuen Zugang zu diesem Werk verschafft hat.«

An der Oper Frankfurt gastierte Magdalena bereits in der vergangenen Saison als Eva in Wagners Meistersingern. »Ein perfektes Match«, wie die Sopranistin sagt: »Ich hatte von Beginn an das Gefühl, nach Hause zu kommen, obwohl ich noch gar nie hier war. Viele meiner Kollegen debütierten genauso wie ich in ihren jeweiligen Partien, dadurch saßen wir während der Proben schnell im selben Boot.« Nachhaltig beeindruckt war sie auch von Johannes Eraths Regiearbeit. Auf der Basis einer intensiven inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Stoff und ausgestattet mit viel Gestaltungsfreiheit auf der Bühne, konnte Magdalena rasch einen tiefen emotionalen Zugang zu ihrer Figur entwickeln.

Im Gespräch sprudelt die Sopranistin geradezu vor Inszenierungsideen zu den verschiedensten Werken. Ihren zukünftigen Platz sieht sie aber selbstverständlich auf, und nicht hinter der Bühne. Wobei sie scherzhaft hinzufügt: »Irgendwann möchte ich Intendantin der Bayerischen Staatsoper werden. Aber erst mit Mitte Sechzig, wenn ich all meine Brünnhilden gesungen habe.«


Eine besondere Profession

In der kommenden Saison erwarten sie in Frankfurt zahlreiche spannende Aufgaben. Neben Chrysothemis in Elektra und Grete in Zemlinskys Traumgörge steht gleich zu Beginn ihr Rollendebüt als Elisabetta in Don Carlo an: »Für mich ist es die erste große Verdi-Partie, dementsprechend habe ich großen Respekt davor. Technisch ist die Partitur sehr anspruchsvoll, man kann sich nirgends durchmogeln, aber die Musik ist ungemein packend und jede Nummer auf ihre Art ein Hit.« An Verdis Oper reizt sie besonders das Verhältnis von öffentlicher und privater Sphäre: »Vor dem Hintergrund eines großen politischen Konflikts handeln alle Figuren extrem emotional. Und gerade Elisabetta wird dabei zwischen ihren höfischen Pflichten als Königin und ihren persönlichen Neigungen zu Carlo hin- und hergerissen.«

Der Übergang von Berufs- und Privatleben gestaltet sich auch in Magdalenas Alltag fließend. Ihre Arbeit als Sängerin sieht sie als eine Profession, die man nicht einfach nach der Probe abstreifen kann: »Wenn ich abends eine Serie schaue oder eine Szene auf der Straße beobachte, bringe ich das sofort in Verbindung mit den Stücken, an denen ich gerade arbeite. Ich bin einfach unglaublich neugierig darauf, die psychologischen Motivationen meiner Figuren aus verschiedenen Perspektiven zu durchdringen. Denn alles bedingt sich gegenseitig.«