• Magazin
  • Oper Frankfurt
  • März / April 2023
  • S. 35-36

Neu im Ensemble

Ohne Berührungsängste

Elena Villalón, Sopran

Text: Maximilian Enderle

In: Magazin, März / April 2023, Oper Frankfurt, S. 35-36 [Publikumszeitschrift]

Die meisten Menschen brauchen morgens einen Kaffee, um wach zu werden. Nicht so Elena Villalón: Ihr genügt es, etwas kubanische Musik anzuhören, und schon erwachen ihre Lebensgeister. Über die »rhythmische, leidenschaftliche und dynamische Qualität« von Rumba, Mambo & Co gerät die Sopranistin unmittelbar in Begeisterung, und es vergeht kaum ein Tag, an dem sie sich nicht ihre übliche »Dosis« zuführt.

Als Kind kubanischer Auswanderer in Texas aufgewachsen, trägt Elena von jeher zwei Kulturen in sich. Reisen in das Herkunftsland ihrer Eltern genießt sie dabei genauso wie das Leben in der pulsierenden und zugleich naturverbundenen Metropole Austin. Berührungsängste scheint unser neues Ensemblemitglied nicht zu kennen. Als Kind spielte Elena Fußball in einem reinen Jungs-Team, was für sie damals völlig selbstverständlich war: »Als meine Mitspieler in der Sommerhitze ihre Oberteile auszogen, machte ich das natürlich auch, woraufhin man mir sagte, dass sich das für mich als Mädchen nicht gehöre.« Während der vielen Stunden auf dem Fußballplatz hatte Elena nicht nur mächtig Spaß, sondern lernte auch, sich durchzusetzen. Ihre Lieblingsposition? »Meistens spielte ich als Torhüterin, weil ich das einfach am besten konnte, aber von meinem Naturell her bin ich Stürmerin.«

Auch auf der Bühne verkörpert Elena bevorzugt selbstbewusste, energische Figuren. Susanna aus Mozarts Le nozze di Figaro, die sie bereits in Austin präsentierte, ist ihr dabei von allen Operncharakteren am nächsten: »Eine solche Dynamik und emotionale Tiefe wie bei Susanna ist in der gesamten Opernliteratur nur selten zu finden. Sie ist keine perfekte, tugendhafte Frau, wie es sie häufig in Werken des 19. Jahrhunderts gibt, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut: intelligent, liebend, fürsorglich, chaotisch, mitunter auch etwas manipulativ und übergriffig … Man muss Susanna nicht erst zu einer lebendigen Figur machen, man kann sie einfach sein.«

Entdeckungen

Dass Elena eines Tages als Opernsängerin arbeiten würde, war lange Zeit nicht abzusehen. Als Jugendliche sang sie in einem Chor, was aber nur eines von vielen Hobbies war. Im Lauf der Pubertät klang ihre Stimme plötzlich viel lauter und resonanter als die ihrer Mitsängerinnen: »Mein Chorleiter sagte zu mir, dass ich wie eine Opernsängerin klinge, was mir erstmal gar nicht gefiel. In den darauffolgenden Sommerferien schaute ich mir dann aus Langeweile eine Inszenierung von La traviata bei YouTube an – und von da an wollte ich unbedingt Teil dieser Welt sein.«

Anfangs arbeitete Elena ohne Lehrer an ihrer Stimme – »ich war stur!« –, schließlich nahm sie aber doch Gesangsunterricht und bestand prompt die Aufnahmeprüfung am Conservatory of Music in Cincinatti. Auf ihr Studium folgte eine prägende dreijährige Zeit im Young Artist Program der Houston Grand Opera. Neben regelmäßigen Auftritten auf der Opernbühne entdeckte Elena währenddessen ihre Liebe für den Liedgesang. Im Frühjahr 2022 gab sie am Kennedy Center in Washington ein Recital mit zahlreichen Werken spanischer und lateinamerikanischer Komponist*innen, was für Elena ein wichtiges künstlerisches Anliegen ist: »Abseits des etablierten deutsch- und französischsprachigen Repertoires gibt es hierbei eine unglaublich schöne musikalische Welt zu entdecken, und ich würde mich freuen, diese eines Tages auch dem Frankfurter Publikum nahezubringen.«

Im Austausch

Zu Beginn ihres Engagements an der Oper Frankfurt steht Elena zunächst in zwei Händel-Opern auf der Bühne – als Iole in Barrie Koskys Neuproduktion von Hercules sowie als Atalanta in der Wiederaufnahme von Xerxes. Für die durch Oratorien wie Messiah und Solomon Händel-erprobte Sopranistin ein absoluter Glücksfall: »Als Interpretin habe ich in Barockopern viel mehr Gestaltungsfreiheit als in später entstandenen Werken, außerdem mag ich den kollaborativen Arbeitsprozess. Man tauscht sich permanent mit den Dirigent*innen über musikalische Feinheiten aus, die wiederum einen großen Einfluss auf die szenische Wirkung haben.«

Den Umzug nach Europa empfindet Elena beruflich wie privat als wichtigen Schritt. Umso größer ist ihre Vorfreude auf die neue Kultur und die hiesigen Ensemblekolleg*innen. Neben der Möglichkeit, viele neue Partien auf der Bühne zu verkörpern, bietet ihr das kommende Festengagement noch einen weiteren Vorteil: »Ich liebe es zu segeln, zu nähen und zu kochen, aber all diese Aktivitäten waren mit meinen vielen Gastengagements zuletzt nur schwer vereinbar. In Frankfurt kann ich mir nun endlich wieder feste Orte dafür suchen.«