• Magazin Klassik
  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 28 | Frühling 2023
  • S. 6-7

Johann Georg Zechner

Text: Otto Biba

In: Magazin Klassik, # 28 | Frühling 2023, Radio Klassik Stephansdom, S. 6-7 [Hörermagazin]

Sie waren namhaft und geschätzt, bekannt und berühmt, ihre Werke weit verbreitet und viel aufgeführt – und dennoch sind sie heute weitgehend vergessen. Das muss man von vielen Komponisten vergangener Epochen sagen. Einer der lange Vergessenen ist Johann Georg Zechner, 1716 in Gleisdorf in der Steiermark geboren.

 

Nur die absolute künstlerische Spitze hat sich über Generationen im Musikleben präsent halten können. Um zu verstehen, wer, warum die Spitze ausmacht, muss man aber auch vergessene Komponisten und ihre Werke kennen – und dabei gibt es immer wieder Staunenswertes zu entdecken.

Einer der lange Vergessenen ist Johann Georg Zechner, 1716 in Gleisdorf in der Steiermark geboren und 1778 in Stein an der Donau verstorben. In Gleisdorf nimmt sich heute die Johann-Georg-Zechner-Gesellschaft um den fraglos bedeutenden Sohn der Stadt an; mit ihren Initiativen verzeichnet sie viele Erfolge. Zechner ist kein Vergessener mehr, aber auch noch nicht ein wirklich namhafter Komponist. Der sollte er aber wieder werden. 

Stöbert man in Musikaliensammlungen Altösterreichs oder der habsburgischen Länder aus dem 18. Jahrhundert oder blättert man in Inventaren nicht mehr erhaltener Sammlungen, so stößt man immer wieder auf Werke Zechners: Er war ein beliebter und verbreiteter Komponist. Insbesondere mit seiner Kirchenmusik hat er das Repertoire dieser Zeit wesentlich mitbestimmt. In den frühen 1960er Jahren war der deutsche Musikwissenschaftler Univ.-Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Riedel der erste, der Zechners Spuren nachgegangen ist: Er wollte nicht nur immer wieder seinen Namen lesen, sondern mehr über ihn und sein Schaffen wissen. Das gelang ihm vor allem für die Reifezeit Zechners, während seine Jugend und Ausbildung, trotz der Bemühungen von Mag. Werner Deutsch, der Riedels Forschungen fortgesetzt hat, bis heute im Dunkeln liegt. Man nimmt an, daß Zechner früh Gleisdorf verlassen hat und in Wien zum Organisten und Komponisten ausgebildet wurde.

1736 taucht Zechner, gerade erst 20 Jahre alt, als Stiftsorganist in Göttweig auf. Dort komponiert er schon eifrig und steht bald im Zentrum der musikalischen Aktivitäten. 1743 gibt er diese Stelle auf. Er wird nun Organist in Krems und 1746 bis 1753 Regens Chori an der dortigen Stadtpfarrkirche. In diesen Jahren studiert Zechner auch Theologie, er empfängt die Priesterweihe und wird 1753 Benefiziat in Stein an der Donau. Als solcher musste er in der Allerheiligenkapelle in Stein eine bestimmte Zahl von Messen lesen; ansonsten hatte er aber keinerlei geistliche Pflichten. Das heißt, Zechner hatte sein Einkommen als Benefiziat, die ihm als solchen zustehende Wohnung im Göttweiger Hof in Stein und viel Zeit zum Komponieren. Ohne finanzielle Sorgen war er einer der frühesten freischaffenden Komponisten in der Musikgeschichte, das heißt, er hatte Zeit und Muße, musikalische Kunstwerke zu schaffen, aber keinen Zwang, sich damit oder mit anderen musikalischen Verpflichtungen den Lebensunterhalt zu sichern. Das Komponist-Sein war ja damals noch kein Beruf: Man war Musiker, im Idealfall Kapellmeister, und hat neben dieser Funktion komponiert, sich nicht zuletzt auch mit Kompositionen (etwa von Auftragswerken) oder mit deren Veröffentlichung ein Zubrot verdient. Zechner war aber als knapp Vierzigjähriger in der musikalischen Kunst nur Komponist, wohlversorgt, da und dort als Organist oder Leiter kirchenmusikalischer Produktionen gerne gesehen, aber ohne jeden wirtschaftlichen Zwang zu musikalischen Auftritten oder zur Publikation seiner Werke. Die nahmen wegen ihrer Qualität von selbst den Weg in die musikalische Welt. – Ein Idealzustand für einen Komponisten, wenn auch ein gewisser Zwang zu Aktivitäten und Kontakten für jeden Komponisten Gutes hat. Ab den frühen 1760er Jahren wurde es um Zechner immer stiller, wenn er auch die Feder nicht aus der Hand gelegt hat. Seine große Zeit als Komponist waren (das macht nachdenklich) nicht die an sich idealen Jahre als Freischaffender, sondern die Zeit davor.

Der Oststeirer Johann Georg Zechner hat seine zweite und künstlerische Heimat in Niederösterreich, im Benediktinerstift Göttweig und in der Doppelstadt Krems-Stein, also in der Wachau, gefunden. Geprägt wurde er fraglos von der Wiener Musikszene. Dass der 1741 in Wien verstorbene Kaiserliche Hofkapellmeister Johann Joseph Fux, deutlich älter als Zechner, nicht weit von Gleisdorf geboren worden war, wird Zechner fraglos hilfreich gewesen sein. Und man übertreibt nicht, wenn man in der österreichischen Musikgeschichte von Barock und beginnender Klassik die beiden Steirer Fux und Zechner in einem Atemzug nennt. Der eine ehrgeizig, immer nach noch Höherem strebend und schließlich in höchstmöglicher Funktion am Kaiserhof etabliert, der andere zufrieden in der freilich künstlerisch blühenden niederösterreichischen Provinz. Lieber in Göttweig-Krems-Stein der erste als in Wien der zweite: Entsprach das vielleicht seinem Lebensprogramm? Immerhin: Die Verbreitung seiner Werke hat die auch sehr gute Verbreitung jener von Fux sogar noch übertroffen.

Eine Besonderheit war es freilich auch, dass es Zechner neben der Musik in die Theologie gezogen hat, dass er als Künstler wie als Priester im zweiten Teil seines Lebens nicht die Präsenz im Rampenlicht und nicht die theologische Karriere gesucht, sondern in der Sinekure eines Benefiziats sein Glück gefunden hat. Schade, dass man über Zechners Persönlichkeit spekulieren muss, keine Korrespondenz von ihm, keine Selbstzeugnisse kennt, dass der Mensch Zechner völlig hinter seinem künstlerischen Schaffen verschwindet. Das spricht freilich auch wieder für einen Meister, der nicht für seinen Ruhm gearbeitet hat, sondern seine Kompositionen dafür arbeiten hat lassen. Sagen wir es ganz schlicht: Er war als Mensch bescheiden und wohl auch ein bisschen weltvergessen. Beides sind nicht die besten Voraussetzungen für bleibenden Ruhm.

Und was hat Zechner komponiert? Alle Arten von Kirchenmusik, eine im Verhältnis dazu kleine Zahl von Konzerten, Orchester- und Kammermusikwerken, Oratorien, Kantaten und geistlichen Bühnenwerken. In Aufführungen, Editionen (nicht zuletzt durch die Zechner-Gesellschaft) und CD-Aufnahmen ist viel davon wieder präsent geworden, weit über seine österreichische Heimat hinaus. Aber für viele Musikfreunde ist Zechner immer noch ein unbeschriebenes Blatt oder ein Geheimtipp. Ihnen wie Zechner kann man nur wünschen, dass sich das immer mehr ändert.