• Die Presse
  • Styria Media Group
  • 16. Jänner 2023 (Auszug)
  • S. 23

Müssen Verlage gewinnorientiert geführt werden?

Von der Herausforderung, in Österreich ein gewissenhaftes und soziales Fachmagazin für Klassik zu gründen.

Text: Stephan Burianek

In: Die Presse, 16. Jänner 2023 (Auszug), Styria Media Group, S. 23 [Tageszeitung]

Erst kürzlich wurde ihr die Problematik wieder bewusst, erzählte mir eine Frau, die in der Presseabteilung eines deutschen Staatstheaters arbeitet. Sie hatte das Redaktionsteam eines Fachmagazins für einen Bericht über eine anstehende Uraufführung gewinnen wollen. Das könne man schon machen, lautete die Antwort, allerdings nur gegen Schaltung einer Anzeige. Dafür hatte die Presseverantwortliche allerdings kein Budget, das Magazin berichtete nicht.

Viele wissen das nicht: Selten finanzieren sich sogenannte Special-Interest-Magazine über den Zeitschriftenverkauf in der Trafik oder über Abos, stattdessen liegt der Erlösanteil der Anzeigen oftmals bei 90 Prozent oder gar mehr. Das führt zu Abhängigkeiten, und in vielen Fällen bestimmen die Anzeigenkunden, bewusst oder unbewusst, über den redaktionellen Inhalt. Eigentlich müssten Texte, die von Dritten finanziert werden, als „Advertorials“ gekennzeichnet werden. Das passiert allzu häufig nicht. Solche gekauften Texte, die von den Auftraggebern in der Regel gegengelesen und abgesegnet werden müssen, erscheinen dann „getarnt“ als ganz normale redaktionelle Beiträge.

Es schwankt die Qualität

Vielleicht schlimmer noch ist der vorauseilende Gehorsam: Als ich in meiner Zeit als Chefredakteur eines deutschen Opernmagazins eine Titelgeschichte über die damals vielleicht weltbeste Mezzosopranistin Elisabeth Kulman bringen wollte, wurde mir das von der Verlagsinhaberin schlichtweg verboten. Als Mitbegründerin und Sprachrohr des Vereins Art but Fair, der sich für eine faire Behandlung freischaffender Künstler und Künstlerinnen einsetzt, war Kulman zugleich „die MeToo-Anführerin“, hieß es, und eine Geschichte über sie wäre ein „schlechtes Signal für unsere Anzeigenkunden“. Ich sagte das Interview ab, sprach mit einer weniger verfänglichen Künstlerin und verließ das Magazin.

Unabhängiger Journalismus ist eine wichtige Grundsäule unserer Demokratie, und Journalisten haben eine dementsprechende Verantwortung. Das mag jedem einleuchten, und doch wird es vor allem nicht angestellten, freischaffenden Journalisten nicht eben leicht gemacht, grundlegende journalistisch-ethische Grundsätze zu befolgen. Sie verdienen einfach zu wenig.

Nehmen wir die Opernmagazine: Nicht selten gilt die Pressekarte als Bezahlung, und wenn man Glück hat, dann zahlt der Verlag eine bescheidene Aufwandsentschädigung. Leben kann davon niemand, und als Konsequenz daraus schreiben praktisch nur mehr jene, die es sich leisten können. Demensprechend stark schwankt deren journalistische Qualität, abhängig vom Grad der Kompetenz und der Besonnenheit des jeweiligen Autors.

Natürlich gibt es – zum Glück – noch angestellte Journalisten, allerdings werden diese konstant weniger. Derzeit steht bekanntlich die „Wiener Zeitung“ vor gravierenden Umbrüchen. Zudem werden vor allem in Deutschland seit gut zwei Jahrzehnten die Redaktionen verkleinert und vermehrt auf billige, freie Autoren zurückgegriffen. Lokalzeitungen werden zusammengelegt, ganze Abteilungen gestrichen. Oftmals wird das Feuilleton eingespart, wer brauche denn schon die Kultur? Als Ergebnis schicken Zeitungen dann Lokalreporter, die auch über Sportereignisse berichten, in Theatervorstellungen und in klassische Konzerte – mit dem erwartbaren Ergebnis.

Und doch wird ein halbwegs gebildeter Mensch die Notwendigkeit einer Pflege der eigenen Kulturtradition nicht in Abrede stellen, und eine lebendige Kultur braucht die Reflexion im Rahmen einer unabhängigen Berichterstattung. Aus diesem Grund habe ich, mithilfe einer Medienstartförderung durch die Wirtschaftsagentur Wien, opern.news gegründet, eine Web-Plattform mit dem Ziel, sowohl den Opernjournalismus als auch das Image der Oper in unserer Gesellschaft zu fördern. Opern.news verfolgt ein gemeinnütziges, nicht-gewinnorientiertes Konzept und bietet neben einer kostenpflichtigen News-Berichterstattung eine kostenlose Online-Bibliothek, die „Ope[r]nthek“, die vor allem Schülern und Studenten als zusätzliche Recherchemöglichkeit für Referate und Seminararbeiten dienen soll. Finanziert werden soll dieses Projekt langfristig hauptsächlich durch Abonnenten, bis dahin werden „Mäzene der Berichterstattung“ gesucht, die für eine faire Bezahlung der Journalisten aufkommen.

Umdenken bei der Steuer

Bei Erfolg dieses Projekts wird es, davon bin ich überzeugt, Nachahmer in ganz anderen Themenbereichen geben. Die werden sich dann vielleicht ebenso wie ich über die folgende Situation wundern: Laut der Ansicht mehrerer Steuerberater werden Verlage von den heimischen Steuerbehörden automatisch als gewinnorientiert eingestuft. Wir möchten aber sämtliche Gewinne in die Mitarbeiter und in die technische Weiterentwicklung des Web-Portals reinvestieren – und dieselben Steuervorteile wie auch andere als gemeinnützig eingestufte Unternehmen nutzen dürfen. Offenbar wird das demokratiepolitische Potenzial der Special-Interest-Magazine noch nicht erkannt.

Es wird ein Umdenken der Steuerbehörden brauchen, und zwar bald: Das Vertrauen in den Journalismus sinkt, und einer der vielen Gründe dafür ist die schlechte Bezahlung.


Stephan Burianek (*1976) ist Journalist, lebt in Wien. Er arbeitete in den Presseabteilungen von Tanzquartier Wien und Bayreuther Festspiele und schrieb Reise- und Klassikkritiken für Tageszeitungen und Klassikmagazine im gesamten deutschsprachigen Raum. 2021 hat er das Nonprofit-Medium Opern.news gegründet, eine Webplattform inkl. einer Online-Bibliothek für den deutschsprachigen Opernraum.