• Orpheus
  • Verlag Kulturbüro
  • 01/2019, Jan/Feb (Auszug)
  • S. 34

Sein Wort in Gottes Ohr

Text: Thomas Schmoll

In: Orpheus, 01/2019, Jan/Feb (Auszug), Verlag Kulturbüro, S. 34 [Magazin]

Ich habe als Journalist schon für sehr unterschiedliche Zeitungen und Magazine gearbeitet. Darunter war auch die Financial Times Deutschland. Dass die FTD nicht überlebte, lag auch daran, dass sie in ihren letzten zwei, drei Jahren so gut wie anzeigenfrei war. Das hatte nicht allein mit der »Medienkrise« zu tun, sondern vor allem mit der Haltung, der Unbestechlichkeit der Chefredaktion, allen voran von Steffen Klusmann, der nun den »Spiegel« übernimmt. Für sie und für ihn kam es nicht ansatzweise in Frage, aus Rücksicht auf Werbekunden weniger kritisch zu berichten in der Hoffnung, auf diese Weise wieder mehr Anzeigen zu bekommen.

Aus verlegerischer Sicht wäre – Konjunktiv – das nachvollziehbar (gewesen): Schließlich müssen Redaktion, Technik und Vertrieb finanziert werden. Aus redaktioneller Sicht ist – Indikativ – das ein Unding, ein Verrat an journalistischen Werten. Jede Verquickung zwischen Text und Anzeige ist ein absolutes No-Go.

Klusmann und die anderen Chefredakteure der FTD nahmen lieber den Untergang ihres Blattes in Kauf, als sich erpressen zu lassen, nach dem Motto: »Schreibt ihr nicht, was wir gut finden und was uns nützt, dann ziehen wir Anzeigen zurück.« Auch wenn das nie offen gesagt wird, sind solche Mechanismen mittlerweile in jeder Branche üblich und greifen auch mehr und mehr im Musikgeschäft um sich. Klar, welches Festival, welches Opernhaus oder welcher Konzertsaal will schon seitenweise Verrisse in einem Blatt lesen, in dem er zuvor für seine Veranstaltungen geworben hat? Im Umkehrschluss darf daraus aber weder werden: »Wir schalten Anzeigen, wenn ihr uns lobt«, noch: »Wir loben euch, damit ihr wieder Anzeigen schaltet«. Die Leser spüren das ohnehin, davon haben beide Seiten nichts.

Selbst das Spendieren von Pressekarten auf Steuerzahlerkosten ist, seien wir ehrlich, fragwürdig. Um ihre Unabhängigkeit zu wahren, müsste eine Redaktion die Tickets eigentlich selbst kaufen. Reine Utopie. Pressekarten können immerhin damit gerechtfertigt werden, dass es sich um ein Nehmen und Geben handelt. Musiktheater brauchen Öffentlichkeit zur Werbung, sie wollen wahrgenommen werden. Im Gegenzug stellen Redaktion und Musikkritiker Zeit und bezahlte Arbeitskraft zur Verfügung. Der Deal stimmt also für beide.

Schwieriger ist die Situation aber, wenn Opernhäuser oder Festivals den Musikkritikern Hotels oder gar komplette Reisen bezahlen. Offiziell werden von den Pressestellen dafür keine geschönten Berichte gefordert, denn zumeist arbeiten dort Profis, die erkannt haben, dass selbst negativen Kritiken ein positiver Werbewert innewohnt. Aber schafft es ein Kritiker wirklich, sich bei seiner Kritik völlig von Geschenken frei zu machen? Immerhin möchte er wieder eingeladen werden. Ich habe da meine Zweifel.

Nehmen wir die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), die in dieser Hinsicht aus meiner Sicht vorbildhaft agiert! Ich sollte für sie einen Bericht über die Aufführung der rekonstruierten Monteverdi-Oper »L’Arianna« beim Dortmunder Festival »Klangvokal« schreiben. Eher beiläufig erwähnte ich, dass ich dazu den Text für das Programmheft verfasst habe. Damit war der FAZ-Artikel gestorben. Und wissen Sie was? Völlig zurecht. Es war dumm von mir, nicht selbst darauf gekommen zu sein. Es geht nicht, von einem Festival für einen Text honoriert zu werden und im Anschluss dasselbe Stück frei von der Leber weg zu bewerten. Musikkritiker und Journalisten dürfen nicht Diener zweier Herren sein. Das mag für Außenstehende bescheuert klingen. Aber so funktioniert unabhängiger Journalismus. Die FAZ hat ganz klare Kriterien, die diese Verquickung nicht zulässt.

Der leider viel zu früh verstorbene Clauspeter Koscielny bot mir einmal an, im ORPHEUS eine längere Geschichte über einen mit mir befreundeten Künstler zu schreiben. Das war lieb gemeint, Koscielny war ein feiner Kerl. Ich habe dankend abgelehnt und ihm mein Motiv erklärt. Er sagte nur: »Respekt. Dann lassen Sie es.« Sein Wort in Gottes Ohr.


Thomas Schmoll lebt als freier Autor und Literaturagent in Berlin. Er liebt die Barockoper, schreibt aber wegen miserabler Honorare kaum noch Musikkritiken.