• Magazin
  • Oper Frankfurt
  • November / Dezember 2022
  • S. 34

Die Oper Frankfurt trauert um Stefan Soltesz, 1949-2022

Auszüge aus der Trauerrede, gehalten am 4. September 2022 in Berlin

Text: Bernd Loebe

In: Magazin, November / Dezember 2022, Oper Frankfurt, S. 34 [Publikumszeitschrift]

Ein Dirigent – oder soll man sagen: Theatermensch – ist von uns gegangen, voller Emotionen und Leidenschaften, voller Überzeugungen. Dieses Musikerleben war von Energie geprägt, von Überzeugungswillen. Ein Dirigentenleben im Kampf gegen das Mittelmaß, das sich ohnehin oft genug im Leben eines Künstlers einstellt.

Geflohen mit der Mutter aus Ungarn, hatte sich Stefan Soltesz an der Hochschule wie an der Wiener Staatsoper schnell einen Namen gemacht. Er schien der Lieblingskorrepetitor für viele sogenannte Stars zu sein, aus seinem Klavierspiel entsprang theatralische Lust, in einem solchen Maße, dass schnell Götz Friedrich wie Christoph von Dohnányi auf ihn aufmerksam werden mussten und ihn ans Pult ließen. Stefan Soltesz war eine Institution, schon in jungen Jahren, man sagte »Der Soltesz«, wenn man von ihm sprach. Er war schon in seinen frühen Jahren einer, der eine Meinung hatte, einer, der aneckte oder gerade wegen seiner Lust an der Übertreibung gemocht wurde.

Seine Begabung, komplizierteste Partituren schnell zu entschlüsseln, wurde ihm auch zum Verhängnis. Wo man mit wenigen Proben ein Werk von Strauss oder Wagner auf die Bühne wuchten musste, da war er zur Stelle. Was nicht heißt, er hätte auch mehr Proben akzeptiert. Sehr beliebt bei Orchestern, da er genial aus schwierigen Stellen flüssige Übergänge machen konnte, erlebten wir am Pult einen Dompteur für den guten Zweck. Einen durchaus auch laut werdenden Dirigenten. Einen Dirigenten, der mehr und mehr aus der Zeit zu fallen schien. Keinen Verwalter, keinen vordergründigen Organisator, keinen Dirigenten, der mit »besonders schnell« oder »besonders langsam« auf sich aufmerksam machen wollte. In der Arbeit mit Sängerinnen und Sängern klagte er Qualität ein und Fleiß. Stefan Soltesz war der Wahrhaftigkeit des Augenblicks verpflichtet.

Und es ist im Rückblick ein großes Glück gewesen, dass die Essener Aalto-Oper 1997 einen neuen GMD gesucht hatte, der auch noch im Nebenberuf Intendant sein durfte. Aus den gesammelten, langjährigen Erfahrungen entstanden Entrümpelungen tradierter Sichtweisen. 16 Jahre spielte die Essener Oper eine Erste Geige im deutschen Operngehege.

Qualität im Rahmen eines Repertoire- und Ensemblebetriebes herzustellen: eine Herzens-Angelegenheit von Soltesz.

Eine große Enttäuschung: Das nächstgrößere Haus ward nicht angeboten. Wir hätten ihn verteidigen müssen gegen dieses Schubladendenken und den Glauben, ein um musikalische wie szenische Wahrhaftigkeiten Ringender könne in jedem Moment Emotion unterdrücken und dennoch wahrhaftiges Theater aus dem Augenblick generieren.

Die Wahrheit wird heute nicht mehr in Partituren gesucht, sondern im Umgang miteinander. Das Warum verschwindet in der Arbeitsästhetik. Wir danken Stefan Soltesz für sein Wühlen im Absatz, für seine Suche nach Gründen, aber auch für seine Lust an der Arbeit und seine Liebe für Menschen.

Der Tod kam zu früh!

Stefan Soltesz wird uns noch viel sagen, keine Sorge. Seine Beurteilungskriterien bleiben. Und damit auch er.