• Foyer5
  • Landestheater Linz
  • # 16 | Jänner-März 2020
  • S. 22-23

Premierenfieber

Paolino, Carolina, Elisetta und die anderen...

...oder wie in Domenico Cimarosas Oper Il matrimonio segreto doch noch alles gut wird

Text: Katharina John

In: Foyer5, # 16 | Jänner-März 2020, Landestheater Linz, S. 22-23 [Publikumszeitschrift]

Gegen ein Zeitalter der Emanzipation, der Gleichberechtigung, der Selbstbestimmung und des freien und individuellen „Pursuit of Happiness“ (Das „Streben nach Glück“, erstmals in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung 1776 verankert) gibt es mit Sicherheit nichts einzuwenden. Ein kleines melancholisches Augenzwinkern könnte uns aber die Vorstellung entlocken, dass die Kunst des amourösen Spiels dann kaum noch Jünger finden dürfte. Es ist nicht der fehlende Zwang, den es zu beweinen gilt, sondern die Kunstfertigkeit, die ohne den Widerstand kaum mehr Gelegenheit haben wird, sich zu trainieren und weiterzuentwickeln. Neben den großen Liebesdramen gibt es ja auch das kleine Drama, die Wonne der unglücklichen Liebe, das leichte Herz und die beneidenswerten Wesen, die nicht gleich den Liebestod sterben, sondern sich dem Liebesschmerz und -treiben ganz unverblümt hingeben.

Mozart war es nicht, der sich als Künstler zu solch perlendem Techtelmechtel bekannte. Seine genaue Menschenkenntnis und Beobachtungsgabe erlaubten es ihm zwar, seine Zeitgenossen in ihren Schwächen und Stärken auf unterhaltsame und kluge Weise aufs Korn zu nehmen, doch lässt er es nicht dabei bewenden und findet immer eine Gelegenheit, um uns die Abgründe der menschlichen Seele drastisch oder zart zu offenbaren. Ganz anders der sieben Jahre ältere Italiener Domenico Cimarosa, der in seiner bekanntesten komischen Oper Il matrimonio segreto (Die heimliche Ehe) auf die alten Muster der Commedia dell’arte zurückgreift und sie mit allen Tugenden einer unterhaltenden Schwerelosigkeit ins Ziel führt. Er, der im Alter von 52 Jahren in Venedig starb, gilt als einer der wenigen Komponisten aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der sich langfristig neben der Ausnahmeerscheinung Mozart behaupten konnte. Bereits die Genese des Werkes verweist auf dessen Leichtigkeit, beruht die zugrunde liegende Komödie The clandestine marriage von George Colman d. Ä. und David Garrick doch auf dem famosen 6-stelligen Bilderzyklus William Hogarths „Marriage a-la-Mode.“

Auf dem Gebiet der Bildenden Kunst gilt Hogarth, einer der bedeutendsten Maler des 18. Jahrhunderts, als Vorläufer der modernen Karikaturisten. In seinem Bilderzyklus beschäftigt er sich mit den Folgen einer arrangierten Ehe und persifliert gleichzeitig das Verhalten und die Moden der englischen Oberschicht. Cimarosa tut es ihm mit seinen Mitteln gleich. In seiner Oper geht er aus vom Aufstiegs- und Nobilitierungswunsch des steinreichen Kaufmanns Geronimo. Dieser träumt davon, seine beiden Töchter prominent zu verheiraten, am besten an Männer von Adel. Doch er hat die Rechnung ohne sie gemacht. Die jüngere, Carolina, ist bereits verheiratet, in jener titelgebenden „heimlichen Ehe“ mit dem einfachen Gehilfen ihres Vaters namens Paolino. Auf Dauer ist dies jedoch kein Zustand für zwei erwachsene Menschen. Paolino stellt sich nun vor, die erwartbare Enttäuschung seines Schwiegervaters durch eine entsprechende, positive Erfahrung aufzufangen: Er plant, Carolinas Schwester Elisetta an den Grafen Robinson zu vermitteln, einen Adeligen von tadellos blauem Blut, der allerdings verarmt ist und eine betuchte Ehegattin gut gebrauchen kann. Doch Paolino hat weder mit Fidalma, der reichen verwitweten Schwester Geronimos gerechnet, noch mit all den möglichen und unmöglichen Konsequenzen, die sich aus der Begegnung all dieser mehr oder weniger bedürftigen Figuren ergeben.

Die Komödie nimmt ihren Lauf, ohne dass sich der Himmel der Wahrhaftigkeit als Spielverderber im grandiosen Wahnsinn auftut. Nicht umsonst steht Cimarosa im Verdacht, ein Wegbereiter Rossinis zu seinem absurden Musiktheater gewesen zu sein.

Il matriomonio segreto wurde am 7. Februar 1792, zwei Monate nach Mozarts Tod, in Wien uraufgeführt. Der Erfolg war exorbitant und der begeisterte Leopold II. befahl nach seinem Besuch der 2. Vorstellung eine Wiederholung der Aufführung noch am selben Tag. Alle sind zufrieden am Ende dieser Komödie und der Kaiser war es offenkundig auch.


IL MATRIMONIO SEGRETO
(DIE HEIMLICHE EHE)
DRAMMA GIOCOSO IN ZWEI AKTEN VON DOMENICO CIMAROSA
Text von Giovanni Bertati nach der gleichnamigen Komödie von George Colman d. Ä. und David Garrick
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Produktion des Oberösterreichischen Opernstudios

Premiere 7. März 2020 | BlackBox Musiktheater

Musikalische Leitung Katharina Müllner
Inszenierung Gregor Horres
Bühne und Kostüme Jan Bammes
Dramaturgie Katharina John

Mit Philipp Kranjc (Geronimo), Etelka Sellei (Carolina), Svenja Isabella Kallweit (Elisetta), Florence Losseau (Fidalma), Timothy Connor (Graf Robinson), Rafael Helbig-Kostka (Paolino)

Symphonieorchester der Anton Bruckner Privatuniversität

Weitere Vorstellungen 10., 12., 15., 19., 21., 26., 28. März und 4. April 2020

66. Sonntagsfoyer
Einführungsmatinee | 23. Februar 2020, 11.00
HauptFoyer Musiktheater