Kalchschmids Albenpanorama

08/2025

In diesem Monat zu entdecken: drei hochwertige Einspielungen von raren Opern von Geminiano Giacomelli und Arrigo Boito sowie Carl Loewes lange Zeit verschollenem Oratorium «Hiob»

Klaus Kalchschmid • 16. August 2025


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«Cesare in Egitto» von Geminiano Giacomelli (1692-1740), 1735 in Mailand uraufgeführt, gilt unter den 20 Opern des Komponisten als sein Meisterwerk, was die vor Spannung nur so berstende Liveaufnahme mit der Accademia Bizantina unter der elektrisierenden Leitung Ottavio Dantones am Cembalo von den Innsbrucker Festwochen 2024 beweist. Auch wenn man die Messlatte von Händels «Giulio Cesare in Egitto» und seiner Tiefenbohrungen nicht anlegen darf, so verblüfft Giacomelli in der Zweitfassung seiner Oper für Venedig immer wieder mit der einen oder anderen Perle, vor allem im dritten Akt, origineller Melodik und stupender Virtuosität, auch wenn er sich oftmals in bekannten Gefilden der Opera Seria aufhält. Auch die Besetzung lässt keinerlei Wünsche offen und jeder Partie sind vier oder fünf Arien zugedacht, die staunenswert gemeistert werden: Arianna Vendittelli ist mit gehaltvollem Sopranglanz und eleganten Koloraturen ein imposanter Giulio Cesare, Mezzosopran Emöke Baráth eine feinstimmige, nicht minder bewegliche Cleopatra mit ebenso schönem Timbre, der ebenfalls exzellente und koloraturensichere Countertenor Filippo Mineccia ist als Cäsars General Achilla zu erleben, und der Sopranist Federico Fiorio verblüfft als römischer Senator Lepido mit einer stupenden Höhe. Tenor Valerio Contaldo ist mehr als solide als Tolomeo, König von Ägypten. (Alpha)


Komponiert 1848, war Carl Loewes «Hiob» lange Zeit verschollen und wurde erst 2005 wieder aufgeführt. Nach einem Mitschnitt aus Halle von 2024 ist dies die erste Studioaufnahme des knapp zweistündigen Oratoriums. Im ersten Teil wird geschildert, wie Hiob nicht irre wird in seinem Glauben an Gott, auch wenn er ihm Hab und Gut und seine Nachkommen raubt. Musikalisch beginnt das Werk bukolisch, der erste Teil enthält aber auch eine virtuose Sopran-Arie, von Monika Mauch genauso schön gesungen wie die Alt-Partie von Ulrike Malotta. Immer wieder werden Rezitative verschiedenen Stimmen zugeordnet, so auch dem a-cappella-Trio Sopran, Alt und Tenor, was stilistisch eine Besonderheit darstellt und man bei Georg Poplutz‘ feinem, an Peter Schreier erinnerndem Tenor immer wieder an einen Evangelisten denkt. Mit dem zweiten und dritten Teil und dem Hadern Hiobs mit Gott mehren sich bei bukolischem Grundton die Dissonanzen. Fein auch das a-cappella-Vokalquartett gegen Ende des zweiten Teils. Da klingt auch der Bariton Dominik Wörners, der mit den Bass-Arien und als Hiob in der Tiefe manchmal überfordert ist, schön. Überzeugend auch, nicht nur im großen Schlusschor, die Arcis-Vocalisten und das Barockorchester L’Arpa Festante unter Thomas Gropper, der allerdings manchmal etwas zu verhaltene Tempi wählt. (Oehms)


«Nerone» von Arrigo Boito, dem kongenialen Textdichter Verdis mit «Otello» und «Falstaff», ist teils überbordend, auch in den großen Chorszenen, teils ganz kammermusikalisch komponiert, Rezitativisches geht oft in Arioses über, manchmal dem späten Verdi durchaus nahe. Ungewöhnlich bereits der Beginn mit einem a-cappella-Chor aus der Ferne: Kaiser Nero, von Gewissensbissen wegen des Mords an seiner Mutter geplagt, tritt die Flucht nach vorne an und frönt seinen Schaulüsten, ob theatralisch, erotisch oder sadistisch. Die Christen Fanaèl und Rubria sind seine Gegenspieler, noch mehr aber Simon Mago (Simon der Magier), der sich die Charakterschwächen des Kaisers zunutze macht. Asteria wiederum verehrt und begehrt ihn, ist aber zwischen Heiden- und Christentum hin- und hergerissen. Am Ende stirbt Rubria in den Armen Fanaèls. Im nicht komponierten 5. Akt hätte sich Asteria umgebracht und wäre Nero wahnsinnig geworden. So ist die Sterbeszene Rubrias das ergreifende Ende des von Antonio Smareglia und Vincenzo Tommasini zu Ende instrumentierten Werks. In Calgari singt Dezin Uzun die Ruburia mit sanftem Mezzosopran, während Asteria bei Valentina Bois Sopran allzu metallisch klingt. Franco Vassallo ist als Simon Mago hervorragend besetzt, wie auch Roberto Frontali die zweite Bariton-Partie mit feinem Timbre und expressiver Gestaltungskraft singt. Heldisch klingt der Tenor von Mikheil Sheshaberidze als Nerone. Unter Francesco Cilluffo spielt das Orchestra del Teatro Lilirico di Calgari sicher in den verschiedenen Stilen des Werks, von der Aufnahmetechnik allerdings etwas mulmig eingefangen. (Naxos)