Lehár-Festival Bad Ischl

Die Liebe in Zeiten des Krieges

In einer neuen Spielfassung von Lehárs «Die blaue Mazur» erfreuen ein spielfreudiges Ensemble und das beschwingte Orchester unter Marius Burkert

Albert Gier • 15. August 2025

Adolar (Lukas Karzel) und Grete (Marie-Luise Engel-Schottleitner) lieben einander 1914 ebenso wie 1918 © Foto Hofer

«Die blaue Mazur», uraufgeführt am 28. Mai 1920 in Wien, war gemäß Stephan Frey „Lehárs letzte Tanz-Operette“. Lehár begann am 13. Juli 1918 in Bad Ischl mit der Komposition des Librettos von Bela Jenbach und Leo Stein. Das Ende des Ersten Weltkriegs zeichnete sich ab, das Kaiserreich der Habsburger hörte wenig später auf zu existieren, die neue Republik Österreich schaffte den Adel ab. «Die blaue Mazur» spielt noch im alten Österreich; Polen war unter Russland, Preußen und Österreich-Ungarn aufgeteilt, der polnische Graf Julian Olinski war wohl Untertan des Kaisers Franz Joseph I. in Wien. 

Die Mazurka (verkürzt „Mazur“) ist ein polnischer Tanz, aber die „blaue Mazur“ haben die Librettisten erfunden (etwa so, wie Hugo von Hofmannsthal und Harry Graf Kessler sich die silberne Rose ausgedacht haben, die im «Rosenkavalier» der Graf Octavian als „Bräutigamsführer“ Sophie überreicht): Es ist die letzte, die getanzt wird, wenn ein Ball im Morgengrauen endet und die liebenden Paare zueinander finden.

Die von Jenny W. Gregor offenbar in enger Zusammenarbeit mit der Regisseurin Angela Schweiger erarbeitete Spielfassung greift im neuen Vorspiel über das Kriegsende hinaus: Julians Freund Adolar und seine frühere Geliebte Grete, Solotänzerin im Hofballett, sind ein Paar geworden. Rechts neben dem Orchester, das fast die ganze Breite der Bühne einnimmt, ist die (offenbar sehr bescheidene) Wohnung der beiden angedeutet: ein altertümlicher, eiserner Ofen, ein kleiner Tisch mit einem Schachspiel, ein Garderobenständer aus Holz. Der erste Teil blendet dann zurück ins erste Halbjahr 1914: Auf Schloss Olinski feiert Julian seine Hochzeit mit Blanka, die offenbar zur Eifersucht neigt. Der Bräutigam, der auf ein sehr bewegtes Liebesleben zurückblickt, gesteht Adolar, dass er fürchtet, mit der Heirat einen Fehler gemacht zu haben. Blanka hört das, und tief gekränkt verlässt sie das Fest. Ihre verstorbene Mutter hat ihr in einem Medaillon die Anschrift ihrer Jugendliebe, des Freiherrn von Reiger, hinterlassen: Bei ihm werde sie Hilfe finden, sollte sie in ihrer Ehe unglücklich sein, in der Tat nimmt er sie bereitwillig auf.

In der Ischler Fassung greift ein zweites „Zwischenspiel“ wieder vor aufs Jahr 1918: Grete und Adolar fragen sich, was aus Julian und Blanka geworden sein mag. – Lehárs zweiter Teil spielt wieder 1914, was ein wenig verwirrend ist: Alle wissen, dass der Krieg unmittelbar bevorsteht. Bevor Julian sich seinem Regiment anschließt, will er seine Frau freigeben: Er hat die Scheidungspapiere vorbereiten lassen, Blanka unterschreibt, wenn auch zögernd. Im letzten Teil, wieder 1918, kehrt Julian unverletzt aus dem Krieg zurück. Auch Blanka, die als Krankenschwester an der Front war, hat alles heil überstanden. Beide finden wieder zueinander, die „blaue Mazur“ besiegelt ihre Gemeinschaft fürs Leben.

Die Gäste bei Blankas und Julians Hochzeit und bei einem Fest, das Freiherr von Reiger Blanka zu Ehren gibt, können sich fast nur auf einem schmalen Steg vor dem auf der Bühne platzierten Orchester bewegen. Die Regie arrangiert sie meist zu lebenden Bildern, die die von Peter Plaschek entworfenen Kostüme der Epoche schön zur Geltung bringen. Wie schon bei «Orpheus in der Unterwelt» und «Eine Nacht in Venedig» ist das Tanzensemble in vielen Szenen gefordert; Dance Captain Katharina Glas zeichnet diesmal auch für die Choreographie verantwortlich.

1914 verheiratet und geschieden, 1918 wieder zusammen: Blanka (Corina Koller) und Julian (Daniel Pataky) © Foto Hofer

Julian ist Daniel Pataky, dessen warme Stimme gelegentlich geradezu heldentenoralen Glanz verbreitet. Sein leichter Akzent ist zwar nicht polnisch, sondern ungarisch, passt aber trotzdem sehr gut. Corina Koller (Blanka) verfügt über einen attraktiven, klangschönen Sopran, ihre Stimme ist allerdings zu schwer, um überzeugend ein junges Mädchen zu verkörpern (Blanka dürfte kaum älter als zwanzig sein). Der Tenor Lukas Karzel (Adolar, der sich im Haus seines Onkels Reider in den ziemlich prüden Musterknaben Engelbert verwandelt) agiert sehr spielfreudig und steht Daniel Pataky nur wenig nach. Marie-Luise Engel-Schottleitner als Tänzerin Gretl Eigner fügt sich sehr gut in das hochklassige Ensemble ein und bringt die komische Seite ihrer Rolle schön zur Geltung. Martin Achrainer karikiert den Freiherrn von Reiger, der Blankas Mutter nie vergessen hat, ein klein wenig, etwa wenn er mit seinem alten Freund Klammdatsch (Claudiu Sola) tanzt. Unter Marius Burkert, der schon seit 2004 Chefdirigent des Festivals ist, spielt das Orchester so beschwingt und klangschön, wie man es gewohnt ist.

«Die blaue Mazur» ist nicht wirklich eine Wiederentdeckung, aber selten zu sehen: 2008 kam im Label CPO eine unbedingt hörenswerte Gesamtaufnahme auf CD heraus, 2020 spielte die Bühne Baden die Operette in der Sommerarena – Michael Lakner, der auch Regie führte, hatte eine neue Fassung erstellt. Es wäre sehr zu wünschen, dass weitere Theater folgen: Die Operette enthält viel attraktive Musik und zeigt Lehár von einer heute weniger bekannten Seite. Die Aufführung in Bad Ischl ist die beste Werbung für das Stück, die sich denken lässt.


«Die blaue Mazur» – Franz Lehár
Lehár-Festival Bad Ischl · Kongress & TheaterHaus

Kritik der Aufführung am 8. August