Klassikfestival Schloss Kirchstetten

Rossini-Farce als Western

Im laut Eigendefinition „kleinsten Opernhaus Österreichs“ setzt man seit mehr als zehn Jahren im Sommer einen Belcanto- und Rossini-Schwerpunkt

Otmar Lahodynsky • 14. August 2025

Richard Panzenböck visualisierte die chaotische Werbung um eine Frau als eine Mischung aus Western und Film Noir © Patrick Piller

Das Klassikfestival auf Schloss Kirchstetten im Weinviertel hat sich auf musikalische Raritäten spezialisiert. In dieser Saison zeigte man Gioachino Rossinis Opernfarce «L’occasione fa il ladro» (Gelegenheit macht Diebe). 1812 in nur elf Tagen komponiert und im Teatro San Moisé in Venedig uraufgeführt, ist die humorvolle Kurzoper auf Verwechslungen aufgebaut. Da werden in einem Gasthaus zwei Reisetaschen vertauscht, und so findet Don Parmenione im Gepäck von Conte Alberto ein Foto von dessen Braut samt Hochzeitsvertrag. Er beschließt, sich als Alberto auszugeben und die Schöne selbst zu heiraten. Doch Berenice, die Zweifel an der arrangierten Ehe hegt, tauscht mit ihrer Zofe Ernestina die Rollen, um den Bräutigam auf die Probe zu stellen. Es kommt zu chaotischen Verwechslungen und Liebesschwüren, als beide Freier um die Gunst der vermeintlichen Braut werben. Doch am Ende klärt sich alles auf, und sowohl Berenice wie Ernestina kommen unter die Haube. 

Seit zehn Jahren hat das Opernfestival im laut Eigendefinition „kleinsten Opernhaus Österreichs“ unter der Intendanz von Stephan Gartner einen Belcanto- und Rossini-Schwerpunkt. Im Maulpertsch-Saal des Barockschlosses in Kirchstetten haben nur höchstens 150 Zuschauer Platz. Daher entsteht aus der Nähe zu den Sängerinnen und Sängern und dem Orchester ein eigener, besonderer Reiz.

Regisseur Richard Panzenböck setzte dieses Jahr die Handlung in eine schwungvolle Mischung aus Western und Film Noir. Die SängerInnen haben sichtlich Spaß an ihren Rollen. Die serbische Sopranistin Ana Cvetkovic gibt Berenice in ihrer ersten Rolle in Kirchstetten. Sevana Salmasi, Mezzosopran aus Armenien, ist die gewitzte Zofe. In den männlichen Hauptrollen überzeugen die Italiener Marco Trespioli (Tenor) als Conte Alberto, der sonst gerne in Musicals auftritt (demnächst wieder im «Phantom der Oper» im Wiener Raimund-Theater) und Emilio Marcucci (Bass) als Don Parmenione. Hooman Khalatbari dirigiert das kleine Orchester Virtuosi Brunenses aus Brünn mit viel Schwung. 

Wenn im Weinviertler Maulpertsch-Saal Belcanto erklingt, dann ergibt sich die seltene Möglichkeit, das Schloss Kirchstetten von innen zu sehen © Klassikfestival Schloss Kirchstetten

Man kam freilich auch wegen der Spielstätte: Das sonst für Besichtigungen nicht zugängliche Schloss in der Nähe von Laa an der Thaya im nördlichen Weinviertel stammt aus dem 16. Jahrhundert und war ursprünglich eine vierflügelige Anlage, umgeben von einem wasserführenden Graben, befestigt mit Mauern und kleinen Vorwerken. 1723 erwarb es der kaiserliche Leibarzt Matthias von Suttner. Er ließ das Schloss nach Plänen von Joseph Emanuel Fischer von Erlach barock umbauen. Im Festsaal, benannt nach dem Schöpfer des Deckenfreskos Franz Anton Maulbertsch, kann sein 1750 bis 1752 gemaltes bedeutendstes Jugendwerk „Der Triumph der Wahrheit über die Zeit“ bewundert werden. An den Stirnwänden des Saales prangen je zwei großformatige Porträts des Rokokomalers Franz Anton Palko der Familie Suttner. Anfang des 20. Jahrhunderts besuchte die erste weibliche Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner ihre Verwandten. An sie erinnert eine Steintafel im Erdgeschoß. Das Schloss ist seit vielen Jahren unbewohnt. Im Schlosspark steht ein Rohbau eines Hotels mit Thermalbad, deren Investoren aber Konkurs anmelden mussten. 

Das Opernfestival hat sich in den vergangenen Jahren ein eingeschworenes Stammpublikum erworben. Es sind vorwiegend Musikliebhaber in den besseren Jahren, aber es gibt auch jüngere Besucher:innen. An den Opernabenden und den Kammermusik-Konzerten des Festivals gibt es selbst zubereitete Kuchen und Torten. Dazu wird jedes Jahr ein eigens prämierter „Opernwein“ ausgeschenkt, in dieser Saison ein Welschriesling vom Weingut Heger aus Poysdorf, zusätzlich ein Grüner Veltliner DAC, der Salonsieger wurde.

Es gibt keinen Lift, sodass gehbehinderte Personen auch den Aufstieg per Steintreppen bewältigen müssen. Im Maulpertsch-Saal sind die wenigen Sitzreihen rund um die Bühne in der Mitte angelegt. Das Orchester ist an einer der schmalen Seiten untergebracht. Nächstes Jahr steht wieder eine Rossini-Opern-Farsa mit «La Cambiale di Matrimonio» (Der Heiratswechsel) auf dem Programm. Neben der von Wien aus anderthalbstündigen Anreise mit dem Auto wird auch ein Shuttle-Bus zur Verfügung gestellt.
 

«L’occasione fa il ladro» (Gelegenheit macht Diebe) – Gioachino Rossini
Klassikfestival Schloss Kirchstetten · Schloss Kirchstetten / Maulpertsch-Saal

Kritik der Aufführung am 8. August
Im September finden im Schloss noch zwei Kammermusik-Konzerte statt