Kulturpropaganda

Das ist doch nicht kriegshetzerisch!

Die Internetseite Online-Merker veröffentlichte einen Kommentar zu einem unserer Artikel. Wir haben ihn satirisch weitergesponnen

Martin Kienzl • 03. Januar 2024

Als Reaktion auf unsere Recherche „Wem gehört die Zukunft?“, in der wir von Ildar Abdrazakovs Unterstützung für Waldimir Putin berichtet haben, schrieb Anton Cupak, ehemaliger FPÖ-Ortsparteiobmann in Mauerbach (Niederösterreich) und Herausgeber der Internetseite Online-Merker, am 29. Dezember einen „Tageskommentar“ [*], den Martin Kienzl satirisch weitergedacht hat.

Sicherheitshinweis: Die fett formatierten Abschnitte des folgenden Textes sind Satire, der Rest leider nicht.

 

Diese Karikatur wurde uns von Arts Against Aggression zur Verfügung gestellt, einer internationalen Bewegung zur Bekämpfung von Kulturpropaganda totalitärer Systeme. Geht es nach dem Online-Merker, dann soll der Drache zumindest seinen mittleren Kopf behalten © Daniel Smelansky

Ildar Abdrazokov wurde eine Entscheidung abverlangt – und er hat sich für sein Heimatland entschieden. 

Wie kleinlich von französischen und österreichischen Operndirektoren, Abdrazakov eine Entscheidung abzuverlangen. Dabei unterstützt er ja nur jemanden, der nicht verhehlt, die Souveränität europäischer Länder auslöschen und sie unter den autoritären Einfluss Russlands bringen zu wollen. Wenn das Heimatland in Person seines Diktators solches will, so darf man sich doch wohl dafür entscheiden und aus Eigenantrieb diese Politik mittragen. 

Warum Künstlern, die in keiner Phase kriegshetzerisch in Erscheinung getreten sind, die Entscheidung als Bedingung für ihren Weiterverbleib im westlichen Opernkosmos gemacht wird, kann ich nicht nachvollziehen, muss es zum Glück auch nicht. 

Sich proaktiv für einen Angriffskrieger, Massenmörder und Kriegsverbrecher einzusetzen ist doch noch nicht kriegshetzerisch! Solange Abdrazakov noch keinen Österreicher, der mit Steuergeld die Wiener Staatsoper und Abdrazakovs Gage mitfinanziert, persönlich vor die Entscheidung gestellt hat, sich unter den Schutz Moskaus zu begeben oder andernfalls mit Militärgewalt dazu bewegt zu werden, ist nichts passiert! Unverschämt, ihm Bedingungen zu stellen, weil er eine Politik, die solche Ziele verfolgt und in der Ukraine in die Tat umsetzt, unterstützt. Ich denke, die Mehrheit der Steuerzahler berappt gerne die Gage eines Opernsängers, der politisch daran arbeitet, Demokratie und Rechtsstaat ihres Landes zu beseitigen. 

Es ist mir schon klar, dass der ausschlaggebende Punkt sein nunmehriges Eintreten für die Wiederwahl Putins ist. Künstler sollten sich aus persönlichen Wahlempfehlungen raushalten, nicht nur in Russland, sondern überall auf der Welt. Dafür wurden sie nicht ausgebildet und werden sie auch nicht bezahlt.

Politik sollten überhaupt nur jene betreiben, die dafür ausgebildet sind. Also Politikwissenschafter und solche, die verwandte Berufssparten studiert haben. Dazu zählt beispielweise eine profunde Ausbildung beim Komitee für Staatssicherheit der UdSSR, unter dem Kürzel KGB populär geworden und heute in Person seines bekanntesten Absolventen beim Volk hochbeliebt. Überhaupt, dieser demokratische Unfug, jedem in Form einer freien Wahl eine Stimme zur Mitbestimmung zu geben, statt sich rauszuhalten, gehört abgestellt. 

Und eigentlich sollte es niemand interessieren, wer demnächst wen wählt.

Denn letztlich hat es beispielweise auch niemanden tangiert, dass jemand die NSDAP gewählt hat. Also weshalb sich darum kümmern, wer wen wählt?

Ich kann mir nur vorstellen, dass ich mich dort, wo man mir Bedingungen auferlegt, nicht wohlfühlen würde. 

Die Forderung, rechtsstaatlichen, demokratischen und republikanischen Grundprinzipien zu folgen, oder das Völkerrecht und die Souveränität eines Nachbarlands zu achten, führt eben zu Unwohlsein. Da werden schlicht Bedingungen gestellt, die einem aufrechten Diktatur-Freund zu Recht sauer aufstoßen.

Also hat Abdrazakov sich für das Land entschieden, in dem er sich wohlfühlt und in dem er voraussichtlich auch nicht verhungern wird. Der Wohlfühlfaktor ist wichtig. 

Es sind eben nicht alle Humanisten. Wer sich in einer Diktatur, die Menschen- und Minderheitenrechte mit Füßen tritt, wohlfühlt, darf doch wohl dafür eintreten, dass sein Land zu einer solchen wird bzw. eine solche bleibt. Dass sich dabei jene, die von der Diktatur verfolgt werden, eventuell weniger wohl fühlen, ist nicht von Relevanz. Der persönliche Wohlfühlfaktor ist wichtig!

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und jene, die sich drehen und winden müssen um „dazuzugehören“, sind eigentlich ganz arme, kleine Menschen!

Erinnert sei in dem Zusammenhang an jene Armutschkerln, die sich, um heute "dazuzugehören" und zukünftig nicht hinter Gittern zu landen, als Angehörige einer ethnischen, sprachlichen, sexuellen usw. Minderheit, Richtung Demokratie drehen, obwohl diese Regierungsform (momentan leider) ohnedies Mainstream ist. 

Leserin W.B. macht mich darauf aufmerksam, dass Abdrazakovs Entscheidung wahrscheinlich auch eine für die Familie ist. Abdrazakovs Familie lebt in Russland und er hat dort mindestens vier Kinder. Egoist ist er also anscheinend nicht. Umso verwerflicher ist, dass man ihm eine derartige Gewissensentscheidung zumutet.

Vollkommen unegoistisch ist es beispielsweise, für ein Terrorregime zu werben, das einem für einen knapp zehnminütigen Auftritt lediglich etwa € 46.000 netto zahlt. Oder für sein eigenes Talente-Festival in Moskau nur läppische € 200.000. Zumal man im globalen Westen einem Klassikkünstler für derartige Leistungen das Zigfache bezahlen würde. Angesichts dessen ist es Abdrazakov hoch anzurechnen, dass er sich nicht vom satanischen Westen hat kaufen lassen, sondern altruistisch, patriotisch und idealistisch zur Heimat steht!

Da sich die politischen Verhältnisse mit der Zeit ändern werden müssen, glaube ich, dass Ildar Abrazakov noch jung genug ist, auch noch in Paris, Zürich in Wien wieder zu singen. Ob er die derzeitigen Entscheidungsträger dann noch eines Blickes würdigen kann, ist Charaktersache. Ich könnte es nicht!

Vielleicht muss er es ja auch nicht. Schließlich müssen sich die Zeiten ändern. Sind einmal Paris, London und Berlin, wie von den Propagandisten von Abdrazakovs Politfavoriten Wladimir Wladimirowitsch insinuiert, plattgemacht und unter russische Knute gebracht, so werden ihm dort wohl andere Entscheidungsträger an den Opernhäusern gegenüberstehen. Bis dahin heißt es: charakterstark, fest an der Seite des Diktators bleiben!

 

Verweis

[*] Anton Cupaks „Tageskommentar“ vom 29. Dezember 2023: https://onlinemerker.com/29-dezember-2023-freitag

 


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