• Magazin
  • Oper Frankfurt
  • März / April 2024
  • S. 12-13

Momentaufnahmen der Geschichte

Text: Mareike Wink

In: Magazin, März / April 2024, Oper Frankfurt, S. 12-13 [Publikumszeitschrift]

Cäsar und Kleopatra – eine Liebe, die Weltgeschichte schrieb. Im Herbst 48 v. Chr. begann die Beziehung zwischen dem Beherrscher eines Weltreichs und der Regentin Ägyptens, die sich ihre Macht nach Landessitte mit ihrem Bruder Ptolemäus teilte. Das konkurrierende ägyptische Geschwisterpaar sah in dem mächtigen Gast aus Rom einen willkommenen Bundesgenossen in spe, um sich mit seiner Unterstützung die jeweilige Alleinherrschaft zu sichern. Beide versuchten, den römischen Diktator für sich zu gewinnen – auf ihre je eigene Weise: Ptolemäus setzte mit der Ermordung von Cäsars Rivalen Pompeius auf die Dankbarkeit des Imperators, Kleopatra hingegen kämpfte mit ganz anderen »Waffen« ... Plutarch schreibt über die legendäre Pharaonin: »An und für sich war Kleopatras Schönheit, wie man sagt, gar nicht so unvergleichlich, aber im Umgang hatte sie einen unwiderstehlichen Reiz, und ihre Gestalt, verbunden mit der gewinnenden Art ihrer Unterhaltung und der in allem sie umspielenden Anmut, hinterließ einen Stachel. Ein Vergnügen war es auch, dem Klang ihrer Stimme zu lauschen. Sie wusste ihre Zunge wie ein vielstimmiges Instrument mit Leichtigkeit in jede ihr beliebende Sprache zu fügen und bediente sich nur im Verkehr mit ganz wenigen Barbaren eines Dolmetschers.« So ließ Kleopatra Cäsar also kommen, sehen – und siegte selbst. Was seinen Anfang aus politischem Kalkül nahm, entwickelte sich offenbar zu einer tiefen Bindung zweier Menschen. Immerhin hielt Kleopatra Cäsar bis zu dessen Ermordung am 15. März 44 v. Chr. die Treue und ging erst drei Jahre später eine neue Beziehung mit dem römischen General Marcus Antonius ein.


Historie als Oper

Wenn Kleopatra über die Zeit auch unterschiedlich »gelesen« wurde – von der Heroin bis hin zur egoistisch-dämonischen Buhle – eignete sie sich als hingebungsvoll liebende Hauptfigur hervorragend für eine Barockoper, welche in einem konventionell geforderten »lieto fine« mündet und das Paar nach den üblichen Intrigen und Schwierigkeiten zusammenführt. Dass dieses historische Sujet als dem Publikum bekannt vorausgesetzt werden konnte, war ein weiteres Plus des Stoffes. So ließen sich auch Georg Friedrich Händel und sein Librettist Nicola Francesco Haym von einem der wohl prominentesten Paare der Weltgeschichte inspirieren.


Schönheit im Überfluss

Händel wohnte zu dieser Zeit in der Londoner Brook Street, wo er in aller Ruhe an Giulio Cesare arbeiten konnte, der wie viele seiner Opern für die 1719 gegründete Royal Academy of Music entstand und am 20. Februar 1724 im Londoner King’s Theatre uraufgeführt wurde. Der Stoff war in Mode, Händels Instrumentierung luxuriös, die Ausstattung überaus aufwendig, und mit Senesino als Cesare und Francesca Cuzzoni als Cleopatra standen zwei der größten Stars ihrer Zeit auf der Bühne. Kein Wunder also, dass Giulio Cesare in Egitto direkt einschlug. Der Musikhistoriker und Zeitgenosse Charles Burney etwa berichtet über eine Oper, »die Schönheit aller Art im Überfluss bietet«. Und bis heute hält sie sich als das meistgespielte Händel-Werk auf den internationalen Bühnen.

Formal wagt sich der Komponist über das Schema F hinaus, führt sein »dramma per musica« aber traditionsgemäß in ein »lieto fine«, wofür er ein grandioses Tableau inklusive Schlussensemble entwickelt, das von vier Hörnern begleitet wird und Cleopatras Krönung zur Königin von Ägypten flankiert. Händel gelingt in der Partitur eine überaus differenzierte Ausleuchtung und Entwicklung der Charaktere. Dabei widmet er sich gerade den Frauen mit einer großen Aufmerksamkeit: Cleopatra und Cornelia. Letztgenannte avanciert von einer Nebenfigur zur tragischen, tragenden Rolle. Diese Entscheidung hängt vor allem mit der Vorliebe des englischen Publikums für Arien zusammen und ergibt zugleich eine ungewohnte Figurenkonstellation: Statt der üblichen Liebesrivalitäten und Eifersuchtsszenen werden Cesare und Cleopatra von Kriegsereignissen, politischen Intrigen und Attentätern bedroht. So entwickelt sich ein dramatisches Geschehen, das mit der Absicht zur Versöhnung beginnt, in Sekundenschnelle zu einer Handlungskette aus Mord und Totschlag.

Als Politthriller und Liebesdrama zugleich findet Händels Giulio Cesare in Egitto mit einer Fülle an Motiven und Verwicklungen, parallel verlaufenden Handlungssträngen und raschen Szenenwechseln zu einem rasantem Tempo, während die Fokussierung existenziell wirkender Affekte wie Trauer, Rache, Machtgier und Liebe immer auch Historie selbst, das Fortschreiben von Weltgeschichte und die Überzeitlichkeit der Vorgänge spiegelt.

 


 

GIULIO CESARE IN EGITTO
Georg Friedrich Händel 1685–1759

Dramma per musica in drei Akten / Text von Nicola Francesco Haym / Uraufführung 1724, King’s Theatre Haymarket, London / In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

PREMIERE 24. März
VORSTELLUNGEN 29. März / 6., 11., 14., 20., 27. April / 4., 8., 10., 18. Mai

MUSIKALISCHE LEITUNG Simone Di Felice INSZENIE- RUNG Nadja Loschky BÜHNENBILD Etienne Pluss KOSTÜME Irina Spreckelmeyer LICHT Joachim Klein KONZEPTIONELLE MITARBEIT Yvonne Gebauer DRAMATURGIE Mareike Wink

GIULIO CESARE Lawrence Zazzo CLEOPATRA Pretty Yende CORNELIA Claudia Ribas° / Zanda Švēde SESTO Bianca Andrew TOLOMEO Nils Wanderer ACHILLA Božidar Smiljanić CURIO Jarrett Porter° NIRENO Iurii Iushkevich

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