• Talestri – Königinnen der Amazonen
  • Staatstheater Nürnberg
  • Oper von Maria Antonia Walpurgis, Saison 2022/23
  • S. 33-36

Zapatos rojos - rote Schuhe

Text: Wiebke Hetmanek

In: Talestri – Königinnen der Amazonen, Oper von Maria Antonia Walpurgis, Saison 2022/23, Staatstheater Nürnberg, S. 33-36 [Programmheft]

Der Kampf für Frauen und ihre Gleichberechtigung, der Protest gegen häusliche Gewalt und Femizide hat viele Symbole und zeichenhafte Bilder hervorgebracht, die weltweit verwendet werden: Etwa der rote Handabdruck im Gesicht einer Frau, mit dem sie symbolisch daran gehindert wird, über tabuisierte Gewalt zu sprechen, oder das Abschneiden von Haaren, das durch die Ereignisse im Iran im Herbst 2022 an Dringlichkeit gewonnen hat. Die roten Schuhe sind eine ebenfalls international verbreitete Chiffre für Gewalt an Frauen. Sie gehen auf eine Aktion der mexikanischen Künstlerin Elina Chauvet zurück. Sie führte die Installation „Zapatos rojos“ zum ersten Mal 2009 in Ciudad Juarez durch, wo sie Schuhe auf einem öffentlichen Platz aufgestellt hat. In ihrem Heimatland ist die Anzahl an Femiziden besonders hoch, und Elina Chauvet suchte nach einer Form, künstlerisch darauf aufmerksam zu machen. Jedes Paar der rot eingefärbten Schuhe steht bei ihr für ein Opfer eines Femizids.

Femizide

Mit Femiziden bezeichnet man Morde an Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts begangen werden – etwa, weil sich eine Frau von ihrem Mann trennen will oder ein selbstbestimmtes Leben einfordert. Femizide sind weltweit ein großes Problem – auch in Deutschland: „Jede dritte Frau in Deutschland wird in ihrem Leben Opfer physischer oder sexualisierter Gewalt“, schreibt die Landeszentrale für politische Bildung BW auf ihrer Website. „Auf das Jahr gerechnet wird in Deutschland fast täglich eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet. Das zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamts. Statistisch gesehen wird alle 45 Minuten eine Frau Opfer von gefährlicher Körperverletzung durch Partnerschaftsgewalt. Und es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer noch wesentlich höher liegt.“

Der Begriff „Femizid“ beginnt sich erst langsam in Deutschland durchzusetzen. Allzu oft hantieren die Medien mit Bezeichnungen wie „Eifersuchtsdrama“, „Familientragödie“ oder „Ehrenmord“, was die Tatsache verschleiert, dass durch die Morde Frauen darin gehindert werden sollen, autonom zu leben. „Zapatos rojos“ ist ein Aufruf, sich mit den Frauen, die Gewalt erfahren, zu solidarisieren, auf ihre Schicksale aufmerksam zu machen und so politisches Handeln anzuregen. Mittlerweile fand und findet Chauvets Installation weltweit statt – mit und ohne Wissen der Künstlerin, die immer wieder darauf hinweist, dass ihre Installation ein Kunstwerk ist und kein Protest.

Die Hoheit über den eigenen Körper

Auf Ungerechtigkeiten v.a. gegen Frauen hinzuweisen, ist das zentrale Thema der Kunst von Elina Chauvet, die in Mexiko, in den USA und Kanada Architektur und zeitgenössische Kunst studiert hat: „Ich kann mich nicht als Künstlerin begreifen, ohne die Worte Widerstand und Ungehorsam gegenüber dem Bestehenden oder Auferlegten zu verwenden.“

2014 führte sie die Performance „Mi cabello por tu nombre“ durch, bei der sie sich eines weiteren Symbols der feministischen Bewegung bediente: Um auf die vielen weiblichen Mordopfer in Mexiko aufmerksam zu machen, schnitt sie sich ihre Haare ab und widmete die Strähnen einzelnen Frauen: „Meine Haare für deinen Namen“. Danach ließ sie sich das Wort „Justiz“ auf den kahlen Schädel tätowieren – wohl wissend, dass es nicht mehr sichtbar sein würde, sobald die Haare nach - gewachsen waren.

Das Abschneiden der Haare hat in der Geschichte des Feminismus schon eine längere Tradition. Das lange Frauenhaar war seit jeher ein sexualisiertes Symbol, weswegen es vor den Männern angeblich verborgen werden muss, und weswegen es Frauen abgeschnitten wurde, um sie zu demütigen. Indem die Frauen im Iran und anderswo selbst entscheiden, wann und ob sie sich die Haare abschneiden, erobern sie sich – zumindest symbolisch – die Hoheit über ihren eigenen Körper zurück.

Ausblick

1999 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution, die den 25. November zum „Tag gegen Gewalt an Frauen“ erklärt. Am 1. August 2014 trat die so genannte „Istanbul-Konvention“ in Kraft. Den Völkerrechtlichen Vertrag „zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“ haben mittlerweile 34 europäische Staaten ratifiziert, wodurch er bindend für die jeweiligen Verfassungen wird. Nicht zuletzt durch die hartnäckigen Protestbewegungen weltweit ist das Thema Gewalt an Frauen und Femizide ins Bewusstsein gerückt – dennoch ist die Zahl der Opfer von Häuslicher Gewalt in der Zeit der Pandemie erheblich gestiegen, die Türkei bereits wieder aus der Istanbul-Konvention ausgestiegen und werden die Proteste im Iran blutig niedergeschlagen. Es ist auch Aufgabe der Kunst, den Finger immer wieder in die Wunde zu legen.